Interviews für Lösungsgeschichten

Traditionell wird Nachrichtenjournalisten geraten, die fünf Ws zu beantworten: wer, was, wann, wo, warum? Klar, das sind wichtige Bausteine für jede Recherche, egal ob man über eine Schulversammlung oder einen Streik berichtet.

Aber wenn man über die Wirkung und das Potenzial von Lösungsansätzen zu gesellschaftlichen Problemen berichtet, ist es unerlässlich, dass Journalisten über die Grundberichterstattung hinausgehen und sich einige der Nuancen von Veränderungen anschauen.

Nehmen wir mal an, Sie haben schon grundsätzlich geklärt, ob eine Geschichte etwas taugt, um sie der Redaktion vorzuschlagen (siehe die Abschnitte zum Evaluieren und Pitchen). Jetzt ist es an der Zeit, eine Vielzahl an Projektbeteiligten und Interessenvertretern zu interviewen, darunter Menschen, die die Lösung umsetzen, die direkt davon betroffenen, Kritiker, Sponsoren, Forscher und so weiter. Bei der Interviewvorbereitung könnten sie folgende neue Fragen überlegen:

“Wer hat es getan?” ersetzen durch „Wie wurde es getan?“

Was im Lösungsjournalismus am meisten zählt, sind nicht die Qualifikationen und Schrullen der Hauptprotagonistin, sondern die übertragbaren Erkenntnisse aus ihren Handlungen. Wie hat es eine kleine Organisation geschafft, das Recyclingsystem in einer Stadt umzukrempeln? Was waren die systematischen Schritte, die sie unternahmen? Was können andere daraus lernen?

Es ist unerlässlich, in die feinen Details der Umsetzung tiefer einzusteigen, und genau hinzusehen, wie Menschen eine großartige Idee in einen echten, messbaren Erfolg verwandelten. Manchmal sind die Interviewpartner von solchen Detailfragen überrascht, weil sie sie nicht gewohnt sind. Bohren Sie weiter nach! Um die wichtigsten Informationen über die Umsetzung herauszuarbeiten, müssen Sie wohlüberlegt vorgehen, sonst übergeht der Interviewte vielleicht wirklich aufschlussreiche Einzelheiten. Nur wenn man die echten Details eines Lösungsansatzes kennt, kann man den Lesern genau erklären, wie er funktioniert (oder nicht) und die Erkenntnisse an die Leser weitergeben.

Zusätzlich zur Frage “Wie sind die Ergebnisse?“ auch fragen „Welche Spezifikationen sind am wichtigsten?“

Organisationen mögen mit Zahlen um sich werfen, aber wenn sie die wichtigsten Spezifikationen zu den Veränderungen nicht benennen können, kann man sich davon ablenken lassen.

Zusätzlich zur Frage „Was meinen die Fachleute?“ fragen Sie auch „Was meinen die Menschen, die direkt von dieser Maßnahme betroffen sind?“

Wann immer möglich unterhalten Sie sich mit den Leuten vor Ort, nicht nur mit den üblichen Verdächtigen (Think Tank Zahlenhuber, Professoren, Vordenker).

Ersetzen Sie die Frage „Funktioniert es?“ mit der Frage „In welcher Hinsicht ist der Ansatz erfolgreich und in welcher Hinsicht versagt er?“”

Gesellschaftliche Veränderungen sind komplex. Unsere Berichterstattung sollte diese Vielschichtigkeit widerspiegeln.

“Wir haben das Problem identifiziert und unsere Berichterstattung auf Protagonisten fokussiert, die nicht nur das Problem verkörperten, sondern auch was diese Kinder brauchen, um die Hindernisse zu bewältigen, die entstehen, wenn Eltern inhaftiert sind. Wir fanden unsere Protagonisten innerhalb von Programmen, die diese Bedürfnisse zufriedenstellen und haben von da aus rekonstruiert, welche Hindernisse sie überwinden mussten sowie die Statistiken und damit verbundenen Themen.“

Jill Tucker portrait
Jill Tucker
San Francisco Chronicle